BarCamp Bonn 2018 - Foto von Gunnar Sohn- Ausschnitt

BarCamp Bonn 2018 – Foto von Gunnar Sohn- Ausschnitt

Das BarCamp Bonn 2018 ist Geschichte. Nach zwei Tagen intensiven Lernens, Diskutierens und Vernetzens, ist es an der Zeit, ein vorläufiges Fazit zu ziehen: Die Methode Barcamp konnte überzeugen, der offene Lernprozess brachte allen Beteiligten vielfältige Einsichten und diverse Anregungen für die eigene Arbeit. Man freut sich schon auf das nächste Barcamp in Bonn, das bereits am 28. April 2018 in der VHS Bonn zu erwarten ist.

Das BarCamp Bonn fand bereits zum vierten Mal statt, für mich war der Termin am 23. und 24.2.2018 an der Hochschule in Sankt Augustin, das erste Mal, wo ich an einem Barcamp teilnehmen konnte. Ich wusste vor Beginn der Veranstaltung nur, dass der erste Tag dem Thema Bildung gewidmet war, der zweite Tag sollte ein offenes Barcamp ohne thematische Festlegung werden.

Was ist ein Barcamp? Das Beispiel Barcamp Bonn 2018

Ein Barcamp kann man sich als (Moderations-)Methode für eine Bildungs- oder sonstige Großveranstaltung vieler Teilnehmer vorstellen, bei der es klare Zeit-, Raum- und Versorgungsstrukturen gibt, bei der aber die Inhalte der Veranstaltung erst vor Ort durch informelle Verständigung der Anwesenden bestimmt werden.

Diese abstrakte Aussage kann man besser verstehen, wenn man den Ablauf des Bonner Barcamps beschreibt.

Zunächst braucht man einen Veranstaltungsort, bei dem unterschiedliche Räume und passende Technik vorhanden sind. Natürlich braucht man auch Sponsoren, die die Basisfinanzierung sichern und schließlich braucht man Teilnehmer, die bereit sind zu kommen und die auch wenigstens mit einem gewissen Anteil die Bereitschaft haben, eine Veranstaltung (Session) zu gestalten.

An jedem Tag des diesjährigen Barcamps Bonn gab es etwa 40 einzelne Veranstaltungen, es bestand an keinen der beiden Tagen Schwierigkeiten, diese Einzeltermine mit Interessenten zu versorgen, auch mit Interessenten, die die Leitung der Veranstaltung übernahmen, eine vorbereitete Präsentation zeigten oder ausgehend von Thesen und Fragen der Teilnehmer diskutierten.

Der erste Tag des Barcamps begann um 9 Uhr mit der Registrierung der Teilnehmer und dem Aushändigen einer Art Veranstaltungspasses, den man mit seinen Namen und seinen Interessengebieten versehen um den Hals tragen sollte, um die Kontaktaufnahme zu vereinfachen.

die Moderatoren des BarCamps Bonn Johannes Mirus und Sascha Foerster mit umhängtem Veranstaltungspass

die Moderatoren des BarCamps Bonn Johannes Mirus und Sascha Foerster mit umhängtem Veranstaltungspass

Dann konnte man in einer Tüte Nahrungsmittel fürs Frühstück und den Rest des Tages bekommen, sowie auch einen Kaffee abfüllen, was am ersten Tag des Barcamps etwas dauerte, sodass die Durstigen zunächst auf das Mineralwasser wechseln mussten.

Bis um 10 Uhr, dem offiziellen Veranstaltungsbeginn, war noch reichlich Zeit und so konnte man mit alten oder neuen Bekannten in den Small-Talk treten und beispielsweise erfragen, ob und was man denn als Session-Angebot zu bieten hätte.

Um 10 Uhr ging es dann mit der Vorstellungsrunde los, die bei 150 bis 200 Teilnehmern natürlich je Teilnehmer knapp gehalten werden musste. Jeder sollte seinen Namen, seinen Job und ein privates Lieblingsthema nennen, am besten in Form von #Hashtags, wie man sie aus sozialen Internet-Netzen her kennt.

Dann wurden noch kurz ein paar Regeln erläutert:

  1. Jeder kann ein Thema seiner Wahl als Session Thema vorschlagen, die spontane Reaktion mittels Handheben entscheidet dann darüber, welcher Raum für das Thema zur Verfügung gestellt wird.
  2. Für die Kommunikation innerhalb des Barcamps ist das temporäre Du zu verwenden.
  3. Jeder kann jederzeit jede Veranstaltung besuchen oder auch verlassen (Abstimmung mit den Füßen ist also erlaubt).

Die Hauptarbeit der Barcamp-Moderatoren ist es dann, die angemeldeten Veranstaltungen auf angemessene Art auf Räume und Zeiten zu verteilen. Praktischerweise wird jede volle Stunde pünktlich mit dem Gongschlag die Veranstaltung begonnen und sie sollte auch nach 45 Minuten zu Ende sein, damit danach noch Zeit für informelle Gespräche und Vernetzen bleibt. Im Rahmen der 45 Minuten sollte auch Zeit für Rückfragen und Ergänzungen aus dem Teilnehmerkreis bleiben, womit auch klargestellt ist, dass eine normale Barcamp-Session nicht allein aus einem Vortrag bestehen kann.

Barcamp Bonn 2018 in der Praxis: Vorgaben gut eingehalten, Kommunikationsprozess gelungen

Diese Rahmenbedingungen wurden an beiden Tagen vom Barcamp Bonn 2018 sehr genau eingehalten. Bei allen Veranstaltungen, an denen ich teilnahm, wurde gut geleitet, überzeugend präsentiert oder moderiert und es bestand ausreichend Zeit während der Veranstaltungen oder danach, die aufgenommene Gesprächsfäden weiter zu verfolgen und sich mittels Visitenkarte oder Austausch von Sozial-Media-Adressen zu vernetzen. Auf einige – von mir ausgewählten Veranstaltungen – gehe ich im Folgenden etwas ausführlicher ein.

Session E-Learning Software

Fotomontage E-Learning-Software-BarCamp Bonn 2018.jpg

Fotomontage E-Learning-Software-BarCamp Bonn 2018

Im vergleichsweise kleinen Kreis wurde die Frage besprochen, welche E-Learning-Software wirklich nützlich ist, um ein neues E-Learning-Projekt anzuschieben. Viele Teilnehmer sahen es genau wie die Referentin: Umfangreiche und leistungsstarke Pakete sind eher kritisch zu sehen, weil der Umgang mit den entsprechender System sowohl für die Macher wie für die Nutzer sehr komplex wird und einen hohen Lernaufwand erfordern, der nicht unbedingt für die relevanten Lernaufgaben transferierbar ist.

Interessant fand ich auch die Anekdote zu den Unternehmen, die gegenwärtig sehr stark auf Videos als Lerngegenstand setzen. Videos zum Lernen sind ja angesagt, man sieht das auch am Erfolg von entsprechenden Videos bei YouTube. Weniger gut kommt bei Mitarbeitern allerdings an, dass die Videos zwangsangeschaut werden müssen, teilweise in gesonderten Räumen mit anschließender Prüfung, bei der man sich auch nicht austauschen darf, um nicht pfuschen zu können.

Session Digital-Biografie (@heddergott)

Barcamp Bonn 2018 Session Digital-Biografie (@heddergott).jpg

Barcamp Bonn 2018 Session Digital-Biografie (@heddergott)

Die Session wurde von Kai Heddergott – Concept & Consulting bei Heddergott Kommunikationsberatung -mit einer Präsentation gestaltet, die hier https://www.slideshare.net/heddergott/digitalbiographie-barcamp-bonn2018 heruntergeladen werden kann.

Heddergott zeigte gut auf, dass und wie man von dem digitalen Erfahrungshintergrund unterschiedlicher Generationen ausgehen kann, wenn man zu neuen innovativen Prozessen in Unternehmen oder Verwaltungen kommen möchte. Leider wird die Digital-Biografie der Mitarbeiter noch nicht so häufig genutzt, viele Unternehmensleitungen denken immer noch, dass Mitarbeiter höherer Altersgruppen nicht technikaffin genug sind, um mit den Zukunftsanforderungen klar zu kommen. Dabei sind die Babyboomer (geboren ab Mitte der 50er-Jahre) bereits während ihrer Schulzeit häufig mit Computern wie dem Commodore 21 kompetent umgegangen und haben mittels Akustikkoppler sich in elektronischen Netzwerken bewegt, als man nur in wenigen sehr speziellen Hochschuleinrichtungen mit dem Internet umgehen konnte.

Die digitale Biografie jedes einzelnen Mitarbeiters kann genauer bestimmt und für die Verbesserung der Kompetenz des ganzen Unternehmens bzw. von Verwaltungseinrichtungen genutzt werden.

Session E-Assessment und automatische Benotung

auch das geht noch nicht automatisch -Sessionplanung barcamp bonn

Die Computer sind auf dem Vormarsch, schon seit längeren wird überlegt, ob man sie nicht auch für die automatisierte Benotung in Schule und Hochschule einsetzen kann. Dass es möglich ist, bestimmte eng begrenzte Aufgabenstellungen, die auf Multiple-Choice-Ankreuzlösungen oder sonstige stark strukturierte Lösungsmöglichkeiten fokussiert sind (Bsp. Lückentext im Sprachunterricht) gut mit EDV-Verfahren ausgewertet werden können, war unstrittig. Solche algorithmischen Prüfverfahren sind schon Jahrzehnte möglich und diese benötigen auch keine künstliche Intelligenz.

Strittig war dann die Frage, ob bei weniger stark strukturierten Aufgabenstellungen (z.B. Bachelor-Arbeit oder mündliche Prüfung) auch automatische Benotungen möglich werden bzw. möglich sein sollten. Von den Anwesenden aus dem studentischen Umfeld wurde als Argument angeführt, dass es bei schriftlichen Prüfungen schon heute im Wesentlichen darauf ankomme, einige Schlüsselbegriffe in einer bestimmten Reihenfolge zu benennen bzw. nieder zu schreiben und um die Keywords herum auf unauffällige Weise nichtssagenden Fließtext zu platzieren.

Sollte dies so sein, dann wäre tatsächlich eine automatische Benotung irgendwann vorstellbar. Es stellt sich dann allerdings die sehr viel radikalere Frage, was das dann noch Bildung zu tun hat. (Bildung war übrigends der Oberbegriff des ersten Tages beim Bonner Barcamp 2018).

Bildung ist nach Ansicht des Vordenkers Humboldt und nach offizieller Lesart der Curricula für Schule und Hochschule nur dann gegeben, wenn der Lerner in die Lage versetzt wird, frei sein Leben zu bestimmen, was nur möglich ist, wenn er kreative Antworten auf komplexe Aufgabenstellungen geben kann.

Mein persönliches Fazit: Nur wenn die möglichen Antworten auf Prüfungen nicht automatisiert gegeben werden können, kann man von Bildung sprechen. Alles andere läuft auf Konditionierung Pawlowscher Automaten hinaus.

Session Tausendsassa vs. Spezialistentum – Wo ist der Neo-Generalist? (@weltenbewegerin)

Dass diese Veranstaltung anschließend lief, passt nach meiner Einschätzung ganz gut zum Thema Bildung und man könnte die hier getroffenen Aussagen der Referentin (auf Twitter als @weltenbewegerin bekannt) einigermaßen passend zu Humboldts Bildungsideal liegend einordnen.

Es ging um die Frage, ob wir uns besser als Spezialisten oder besser als Generalisten verorten, wenn wir langfristig beruflich und privat Erfolg haben wollen. Da das Spezialwissen immer schneller veraltet, ist dies ein guter Hinweis für den langfristen Erfolg des Neo-Generalisten. Allerdings blieb bei mir unklar bzw. wurde kontrovers diskutiert, was denn genau für Qualifikationen gebraucht werden und inwieweit der Einzelne auch ab und an in die Niederungen des Spezialisten herabsteigen muss, um praktische Arbeit leisten zu können.

Dazu fällt mir dann als Beispiel ein, dass sich in Bezug auf Webdesign, Webauftritt gestalten und Online-Marketing erfolgreich umsetzen, immer noch sehr viel Spezialwissen nötig ist, selbst dann, wenn man diese Aufgaben für teuer Geld nach außen vergibt. Schließlich muss man einschätzen können, welche Konzepte die unterschiedlichen Spezialisten hinsichtlich des gewünschten Erfolgs vertreten und wo man am besten ansetzt, um seine Kommunikation über das Netz zu verbessern.

Tag 2: Barcamp in Reinform

Am 2. Tag beim Bonner Barcamp 2018 wurde ein reines Barcamp geboten. Das heißt, es gab für die Session keine inhaltliche Vorgabe. Die Anzahl der Teilnehmer war mit ca. 150 etwas geringer, was nach Aussage der Moderatoren auch mit der gegenwärtig grassierden Grippewelle zu tun haben könnte.

Session Dein perfekter Pitch (@weltenbewegerin)

Weil mir die Veranstaltung zum Neo-Generalisten ganz gut gefallen hat, bin ich gleich am nächsten Tag zu dieser Veranstaltung gegangen, um mal rauszubekommen, wie denn der perfekter Pitch aussieht.

Referentin Session Dein perfekter Pitch (@weltenbewegerin) in der Vorstellungsrunde.jpg

Referentin Session Dein perfekter Pitch (@weltenbewegerin) in der Vorstellungsrunde

Dazu muss man kurz erklären, was mit Pitch gemeint ist. Stellen wir uns vor, wir hätten ein bestimmtes Ziel, eine Aufgabe, eine Herausforderung, die wir in einer überraschend entstehenden Situation schnell zu kommunizieren hätten. Nehmen wir beispielsweise an, wir würden einen potentiellen Ansprechpartner im Aufzug treffen und hätten nun 30 Sekunden Zeit, ihm unsere Botschaft rüber zu bringen. Was würden wir sagen?

Diese Situation kann auch zu Beginn einer Präsentation auftreten. Hier ist es dann hilfreich, wenn man sich seinen ersten Satz gut überlegt und den auch gut einübt, damit er sitzt.

Außer diesem und weiteren praktischen Hilfestellungen gab es noch sehr grundsätzliche Bemerkungen zum Hintergrund des guten Pitchs. So wurde darauf hingewiesen, dass man ziemlich genau wissen muss, was denn das Basisziel – der Hauptzweck – des geplanten Projekts oder der angestrebten Lebensaufgabe ist. Nur wer sehr genau, differenziert und überprüfbar seine Ziele kennt, kann auch die möglichen Wege und Angebote zum Ziel erkennen, bestimmen und kommunizieren.

Eigentlich eine triviale Aussage, aber ich stimme der Referentin zu, genau diese Basisidee wird selten genug angenommen und mit nachvollziehbaren Vorgehensweisen gefüllt.

Abschließend konnten zwei Teilnehmer ihre Pitchs vorstellen und kritisch bewerten lassen. Das erforderte sicherlich Mut, hat sich aber dann für alle gelohnt, weil so Tipps gegeben werden konnten und zum Abschluss ein praktisches Lernergebnis erreicht wurde.

Session Schreiben, um zu denken (@weltenkreuzer)

Session Schreiben um zu denken (@weltenkreuzer)

Session Schreiben um zu denken (@weltenkreuzer)

Sehr praktisch aufgezogen war auch diese Session. Der Referent erläuterte kurz das Prinzip Schreibdenken. Mann muss nicht unbedingt vor dem Schreiben erst lange nachdenken, um dann zu einem guten Ergebnis zu kommen. Man kann auch sein Nachdenken befeuern und dem wüsten Stürmen im Nachdenkprozess eine Richtung geben, wenn man schnell schreibt und damit seinen Denkprozess für sich strukturiert dokumentiert. Ob man dies per Hand oder per Tastatur erledigt (oder die Möglichkeiten der modernen Spracherkennung durch Software nutzt) ist jedem selbst überlassen, entscheidend ist nur, dass es nicht in erster Linie auf den Output ankommt, sondern auf das Erleben des Prozesses und das Nachdenken nach dem Schreiben über die erfahrene Veränderung.

In zwei kurzen Phasen a 5 Minuten konnten die Teilnehmer das direkt ausprobieren. Die jeweils danach gegebenen Reaktionen waren ausschließlich positiv. Das kurze Schreibdenken hatte Veränderungen angebahnt, die es lohnt noch weiter zu verfolgen.

Session Live-Podcast-Produktion König von Deutschland (Gunnar Sohn, Christian Bartels)

Session Live-Podcast-Produktion König von Deutschland (Gunnar Sohn, Christian Bartels)

Session Live-Podcast-Produktion König von Deutschland (Gunnar Sohn, Christian Bartels)

König von Deutschland ist ein Interview-Podcast Format. Es wurde während der Session Live umgesetzt. Das Interview, dem später noch Teilnehmer hinzutreten sollten, wurde geführt und aufgenommen. Danach wurden die Schritte erklärt, die man dann zu erledigen hat, damit man schnell den Podcast hochgeladen und publizieren kann.

Breiten Raum nahm die Frage ein, welche Vor- und Nachteile ein Podcast gegenüber einem geschriebenen Text hat. Ich bevorzuge Text, weil ich dann schneller die relevanten Punkte finde und diese auch schneller in meine themenbezogenen Exzerpte übernehmen kann.

Allerdings schließen sich die Werkzeuge geschriebener Text, Audio-Stream oder Bewegtbild ja nicht wechselseitig aus. Schwierig bzw. aufwendig ist allerdings das Verfahren vom Stream zum geschriebenen Text zu kommen. Die Methoden der Texterkennung sind zwar deutlich besser geworden, doch es immer noch viel manueller Nachbearbeitungsaufwand nötig, wenn man gesprochene Texte transkribieren will.

Session Erfolgsfaktoren Social Media (@OliverKepka)

Erfolgsfaktoren Social Media (@OliverKepka)

Erfolgsfaktoren Social Media (@OliverKepka)

Wie kann ein kleines Unternehmen vom Social-Media-Trend profitieren? Auf diese Frage wurde hier beispielhaft eingegangen. Gefühlt war hier der Beifall nach der Session am stärksten im Vergleich mit anderen Sessions, als der Referent knapp vor dem Ende der Zeitstunde die Präsentation mit eingestreuten Rückfragemöglichkeiten beendete. Die Resonanz war deshalb so positiv, weil die gewählten Beispiele sehr konkret und nachvollziehbar waren. Die einzelnen genannten Erfolgsfaktoren (z.B. die richtige Wahl des Netzwerkes) wurden in der knappen Zeit sehr gut nachvollziehbar kommuniziert.

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