Kaum ein Kulturkritiker, der sich in den Cyberspace verirrt hat, in dieses gelobte Land für Amateuranthropologen, und der nicht früher oder später bemerkte, wie unbestritten der elektronische Weltenraum zum zentralen Tummelplatz für Verfolgungs- und Verschwörungswahnsinnige geworden ist. Den Ton geben allerdings nicht einzelne Verrückte an, so zahlreich sie auch sind, sondern die nach Hunderttausenden zählenden Anhänger populärer Konspirationstheorien.
So konnte man es bereits vor 10 Jahren im Hamburger Intelligenzblatt (ZEIT) lesen. Wie kann man sich auf diesem Tummelplatz von Verrückten also einigermaßen sicher bewegen?
Folgende Überlegungen beschäftigen sich mit der Frage, wie man denn die Zuverlässigkeit von Informationen, Medieninformationen und speziell Internetinformationen prüfen kann.
1. Klärung der Begriffe des Themas
Internetinformationen sind Informationen, die man im Internet finden kann. Man denkt natürlich an Texte, die man über eine Suchmaschine wie Google findet, aber Internetinformationen sind auch Bilder, Sound, Video, Flash usw. Um die Sache nicht zu komplizieren, schränke ich meine Überlegungen erst mal auf Texte ein, die auf irgendeiner http://-Seite zu finden sind. Internetinformationen sind also in diesem Verständnis keine Texte aus E-Mails oder von ftp-Servern oder aus P2P-Netzen etc. Es sind Texte, die auf irgendeiner http://-Seite zu finden sind. Man sollte davon ausgehen, dass man den Text bzw. die Seite über eine Suchmaschine oder einen Link gefunden hat. Es erscheint nicht relevant zu sein, wie man an den Link gekommen ist. Weiter unten, werde ich aber erläutern, warum ich diese Position nicht (mehr) teile.
Desweiteren wichtig ist, das der Text einen gewissen „Wahrheitsanspruch“ (Geltungsanspruch) hat, nämlich den, dass alles das, was der Text aussagt, auch zutreffend ist. Vertrauenswürdig ist der Text also, wenn er diesen Geltungsanspruch einlösen kann.
Da mir dieser Punkt sehr wichtig ist, will ich ihn nochmals in anderen Worten wiederholen und präzisieren. Ein Text ist also vertrauenswürdig, wenn er
- einen Wahrheitsanspruch erhebt und
- diesen einlösen kann.
2. Exkurs zu literarischen Texten
Literarische Texte haben keinen solchen Geltungsanspruch.
Beispiel: So finden wir auf der Seite
http://www.technik-und-leben.de/wbuch/wbuch1.html
einen Text „Warum es keinen Krieg geben kann“, der keinen solchen Wahrheitsanspruch erhebt. Zwar will dieser Text sicherlich irgendwas sagen, hat also einen „tieferen“ Wahrheitsanspruch („Krieg führen ist Unfug.“ oder „Wer Krieg führen will, der muss unschuldige Menschen opfern“ oder „Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“ oder …). Aber wie man aus der Literaturwissenschaft und aus dem praktischen Leben weiß, lassen sich verschiedene Interpretationen literarischer Texte finden und eine Entscheidung über die „richtige“ ist ungefähr so sinnvoll, wie der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.
(Allerdings finden sich auf dieser Webseite auch Informationen, die einen anderen Geltungsanspruch erheben: Name des Verfassers, geographischer Ursprung der Geschichte, Quellenangaben.)
Zur Übung: Man überprüfe mal, welche Informationen auf Seite
http://www.technik-und-leben.de/meinung-uns.htm enthalten sind.
3. Die philosophische Dimension von Vertrauenswürdigkeit
Meine bisherigen Überlegungen, Vertrauenswürdigkeit mit Wahrheit gleichsetzen, führen diese schnurstracks zu dem zentralen Problem der Erkenntnistheorie „Wie ist Wahrheit überhaupt möglich?“
Meine Position schließt sich da an Sir Karl Raimund Popper an, der eine Wissenschaftstheorie entwickelt hat, die erklärt, wie die Wahrheit von Allaussagen beansprucht werden kann, obwohl man ja bei einer Allaussage niemals alle Einzelfälle überprüfen kann. Aussagen werden innerhalb der Wissenschaften nicht einfach so getroffen, sondern stehen in einen komplexen Theoriezusammenhang. So ist die Aussage
im Zusammenhang mit der Newtons Gravitationstheorie prüfbar. Die Aussage beansprucht Gültigkeit für alle Zeiten, solange das System Sonne-Planeten und seine Einzelbestandteile existieren und solange keine Einwirkungen von außen erfolgen. Eine konkrete Prüfung ist aber nur in Einzelfällen möglich. Also können Naturgesetze nicht als wahr erwiesen werden, zumindest nicht für Zweifler, die einfach ohne Grund bezweifeln, ob denn sich die Erde denn auch morgen noch um die Sonne dreht. Schließlich könnten wir nicht wissen, was morgen ist, also könnten wir auch nicht wissen, ob sich morgen die Erde um die Sonne dreht. |
Gegen diese Art von Zweifel ist natürlich kein Kraut gewachsen, aber offensichtlich hat diese Art von Zweifel in den Wissenschaften keinen Platz. Als Wahrheit innerhalb der Wissenschaften kann anerkannt werden, was
- präzise Aussagen über die Wirklichkeit macht
- im Rahmen einer widerspruchsfreien Theorie steht, die weitere präzise Aussagen über die Wirklichkeit macht
- empirische Aussagen liefert, die an der Wirklichkeit scheitern können
- was aber bisher noch nicht eingetreten ist.
Um innerhalb der Wissenschaften also begründet zu zweifeln, muss man also die Widersprüchlichkeit der Theorie oder das Scheitern von Aussagen der Theorie an der Wirklichkeit aufzeigen.
4. Anwendung auf die Vertrauenswürdigkeit von Medien-Informationen
Auf Basis der letzen vier Kriterien kann ich ein Verfahren skizzieren, wie ich für mich die Vertrauenswürdigkeit von Medien-Informationen bestimme.
- Zunächst versuche ich zu prüfen, ob die Aussage und weitere im Kontext der Aussagen getroffenen Aussagen präzise sind.
- Zum Kontext gehören auch Aussagen, die implizit beansprucht werden. So muss jemand der zur Stützung seiner Aussagen auf seine Promotion in Physik verweist, sämtliche gesicherten Erkenntnisse der Physik zum Kontext rechnen lassen. Die zentralen Aussagen der Medien-Information müssen zueinander und zum ganzen Kontext widerspruchsfrei sein.
- Die Aussagen müssen so formuliert sein, dass man sie an der Wirklichkeit scheitern können.
5. Das Problem des Kontextes
Informationen im Internet haben häufig eher weniger Kontext als gedruckte Informationen. Nehmen wir nur als Beispiel irgendein Lehrbuch eines wissenschaftlich orientieren Verlags.Die einzelne Information steht nicht nur im Kontext von Hunderten von Seiten, sondern letztlich im Kontext des ganzen Verlagsprogramms und sofern die Autoren selbst Wissenschaftler sind stehen die mit ihrem Renommee und dem Anspruch ihrer Wissenschaft für das Werk und für jede einzelne Information ein.
Das heißt nun nicht, das alles was dort steht unbezweifelbar wahr ist, eher im Gegenteil. Sofern mit dem Verfahren der Kritik wie unter 3. ausgeführt vorgegangen wird, ist eine Gültigkeitsablehnung möglich.
Internet-Informationen haben u.U. einen eher geringeren Kontext. Sie stehen auf einer Website, die als Kontext dient, diese Website kann aber sehr klein ausfallen. Bei größeren Websites ist u.U. nicht erkennbar, ob die publizierten Infos einer „Qualitätskontrolle“ unterworfen wurden, wer genau der Verfasser ist usw. Ebenfalls viel einfacher ist das Verfälschen von Namen und Lebenslaufangaben. Es ist zwar nicht gänzlich unmöglich, dass man als Betrüger ein wissenschaftliches Werk bei einem angesehenen Verlag unterbringen kann, aber doch sehr unwahrscheinlich.
6. Internet NEIN DANKE? Aber nein, wir wollen doch das Kind nicht mit dem Bade…
Es gibt aber noch einen weiteren Kontext der einzelnen Internet-Information, die man nutzen kann, nämlich das restliche Internet, also die Websites, die nicht die Information enthalten, die auf Verlässlichkeit geprüft werden soll.
Hierzu möchte ich folgendes Verfahren vorschlagen.
7. Verfahren der „Qualitätskontrolle“ von Internet-Informationen
Schritt 1: Die Kernthese oder Kernaussage der Internetinformation aufschreiben.
Warum aufschreiben? Nun, damit man beim späteren Surfen nicht sich plötzlich mit Fragen beschäftigt, die zwar auch interessant aber kaum mehr zur Kernaussage in Bezug stehen.
Schritt 2: Mit den Schlüsselwörtern der Kernaussage eine Internetrecherche bei Google durchführen.
Warum Google? Nun, weil Google nicht nur die umfangreichste Suchmaschine ist, sondern weil Google auch die raffiniertesten Verfahren zur Bestimmung der Wichtigkeit von Internetseiten anwendet. Da diese Verfahren nur sehr grob bekannt sind, und da es für Google überlebensnotwendig ist, diese Verfahren auf einen hohen Standard zu halten, gibt es im Moment auch noch keine Alternative. Der Hauptkonkurrent zu Google (MSN) ist erkennbar nicht unabhängig von spezifischen wirtschaftlichen Interessen.
Schritt 3: Die gefundenen Seiten auf Argumente abklopfen, die mit der Kernaussage zusammenhängen.
Diese Aussagen dokumentieren (einschließlich Quellenangabe).
Weitere Schritte: Iterativ die gefundenen Argumente einem Verfahren wie beschrieben unterwerfen oder die Suche in der gedruckten Fachliteratur fortsetzen oder Experten befragen.
Weitere Schritte: Iterativ die gefundenen Argumente einem Verfahren wie beschrieben unterwerfen oder die Suche in der gedruckten Fachliteratur fortsetzen oder Experten befragen.
Wie man sieht, scheint das in Sysiphosarbeit auszuarten, aber das ist nun mal so. Man sollte natürlich irgendwann mal aufhören, seine Ergebnisse publizieren und darauf hoffen, dass interessante Rückmeldungen kommen.
8. Hier könnte Ihr Beispiel stehen, um 7 zu erläutern.
Man kann mir auch per Mail eine Information zuschicken und ich werde versuchen, dieses Beispiel hier zu behandeln. Ich freue mich Ihre Mails!