Das Internet ist für uns alle Neuland, meint die Bundeskanzlerin. Deshalb können wir auch nicht wissen, wie sich die Arbeit durch das Internet verändert. Menschen, die sich seit Jahren mit der Veränderung von Arbeit durch das globale Netz beschäftigt haben, sind daher oft zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen gekommen, wie die Potentiale und Gefahren hier einzuschätzen sind. Nach dem NSA- und anderen Big-Data-Skandalen ist hierzulande die Internet-Euphorie abgeklungen und es werden eher düstere Zukunftsszenarios in und außerhalb des Feuilletons in Bezug auf das weltweite Netz gepflegt. Für die Arbeit der Zukunft gibt es sehr unterschiedliche Prognosen, die neben dem Ende der Arbeit auch viele neue interessante Geldverdienstmöglichkeiten prognostizieren bzw. propagieren. Einer wie Johannes Kleske hat sich hier schon länger mit dem Thema beschäftigt, auf der re:publica 2015 präsentierte er eine neue Sichtweise, die eher negative Einschätzungen liefert und insgesamt sehr gesellschaftskritisch anmutet. Wie sieht seine Position zur Zukunft der Arbeit aus, wo sind die Einschätzungen nachvollziehbar und wo hat die Dystopie (negative Utopie) eine zu starke Bedeutung bekommen?
Wer das Thema Arbeit der Zukunft interessant findet und hierzu eine neue Internetperspektive kennenlernen möchte, der kann sich zunächst das komplette Video anschauen. Anders als andere Referenten lässt Johannes Kleske nach der Präsentation (ab der 37. Minute) ausreichend Zeit, um seine Sichtweise zu befragen oder mit anderen Einschätzungen zu konfrontieren. Das komplettes Video kann hier oder über YouTube abgerufen werden kann.
re:publica 2015: Mensch, Macht, Maschine – Wer bestimmt wie wir morgen arbeiten?
Johannes Kleske beginnt seine Präsentation mit einem kurzen Verweis auf die überfüllte U-Bahn, später wird deutlich werden, dass er dieses Problem mit dem aktuellen Streik der Lokführer assoziiert. Anschließend stellt er den Bezug zu einer früheren Präsentation auf der re:publica 2013 her, wo es um das Ende der Arbeit gegangen war. Das Thema werde von Jahr zu Jahr relevanter; Kleske führt auch den führenden Google-Manager Erik Schmidt als Bestätigung ein:
Die Automatisierung von Jobs wird das definierende Problem der nächsten zwei bis drei Dekaden sein.
Als ein konkretes Beispiel für Automatisierung sei an das selbstfahrende Auto zu denken: Eine Software ersetzt den Autofahrer, also auch die Fahrer, die gegenwärtig ihr Geld mit Transportleistungen verdienen. Allerdings braucht auch das selbstfahrende Google-Auto viele Arbeitstätigkeiten, damit es funktioniert: z.B. Aktualisierung und Aufbereitung des Kartenmaterials. Das Beispiel der Google Quality Raters wird ergänzend genannt, um zu verdeutlichen, dass auch Algorithmen menschliche Zuarbeiter brauchen, damit sie effektiv funktionieren und sich weiterentwickeln können. Allerdings seien diese Zuarbeiter formal keine Mitarbeiter (Arbeitnehmer), sondern selbständig arbeitende Projektumsetzer, die über entsprechende Plattformen im Internet ad hoc oder auch längerfristig angeheuert werden können. Als Beispiel für entsprechende Vorgehensweisen wird durch Kleske auf „Amazon Mechanical Turk“ verwiesen.
An dieser Stelle könnte ein soziologischer Beobachter die Begriffe „Dequalifizierung“ und „Prekariat“ vermissen, worauf ich später als Diskussionsteilnehmer hingewiesen habe. Kleske nennt aber einen kaum weniger sperrigen Begriff, den die New York Times geprägt hat: Datenhausmeister und formuliert mit diesem Begriff direkt eine steile und mir bisher unbekannte These:
Kein Big Data ohne Datenhausmeister.
Diese These ist originell und bedenkenswert, doch für eine genauere Erläuterung fehlt im Moment der Präsentation wohl die Zeit. Kleske liefert aber einige interessante Beispiele für die Arbeit der Datenhausmeister: Aussortieren von pornografischem (oder anderweitig problematischem) Material in sozialen Netzwerken. Dann spitzt er seine These weiter zu: Es sei das schmutzige Geheimnis der Firmen des Silicon Valley, auf viele und billige externe Arbeitskräfte zurückgreifen zu müssen, damit die magischen Angebote und die hohen Profite bei Internetfirmen sicher erreicht werden können.
Kleske schätzt allerdings den Kostenaufwand für die nachträgliche Integration dieser Arbeitskräfte in die Unternehmen (Festanstellung) mit 20 bis 30 Prozent sehr zurückhaltend ein, was auch deshalb aus meiner Sicht bemerkenswert ist, weil das für einige der ganz großen Player durchaus machbar wäre, ohne das die entsprechenden Firmen in die Verlustzonen kämen. Später wird allerdings Kleske deutlich machen, dass wegen der Struktur der Finanzierung von Technologie-Start-Ups sehr viel Profit notwendig ist und eine zusätzliche Kostenbelastung von 20 bis 30 Prozent so einfach nicht hingenommen werden kann.
Johannes Kleske kennzeichnet die entsprechenden Verhaltensweisen der Unternehmen (Verzicht auf die soziale Absicherung der externen Kräfte) als „Ausbeutung“, ohne dies genauer zu erläutern, was bei den Zuhörern wohl den Eindruck vermittelt, dass schlecht bezahlte externe Beschäftigung bei hohen Profiten als Ausbeutung verstanden werden kann.
Kleske konkretisiert Ausbeutung noch auf eine zweite Weise.
Automation doesn’t replace labor. It displaces it. Lilly Irani (Folie 13)
Übersetzung R.M: Automation ersetzt nicht die Arbeit. Es verdrängt sie.
Auch diese These ist interessant, müsste aber genauer unterfüttert werden. Tatsächlich entspricht sie teilweise einer These der Soziologen Kern und Schumann aus den 1970er-Jahren, die für den Automatisierungsprozess in der Industrie den Begriff der Polarisierung geprägt haben: Die technische Entwicklung spaltet die Arbeitskräfte auf. Wenige kommen nach oben und können besser bezahlte und anspruchsvollere Jobs ausüben; die Masse der Arbeitenden wird abqualifiziert und mit niedrig bezahlten (prekären) Beschäftigungsverhältnissen abgespeist. Ob bzw. im welchem Umfang diese These der Polarisierung bzw. massenweisen Dequalifizierung zutreffend ist, bleibt nach wie vor ein Streitpunkt in der Soziologie.
Kleske sieht die Datenhausmeister unter dem Aspekt der On-Demand-Economy (wörtliche Übersetzung: Nachfrage-Ökonomie, gemeint ist das Ausrichten von Arbeitsangeboten auf kurzfristige Beauftragung und die Vermittlung der Arbeitskräfte als Werkvertragspartner über Internet-Plattformen). Gegenwärtig bekanntestes Beispiel sei der Internet-Fahrdienst-Vermittler Uber, der es Privatleuten ermöglicht, andere Privatleute mit deren Fahrzeugen für Transporterfordernisse anzuheuern.
Das klänge als Konzept nicht schlecht, doch Kleske zeigt ganz konkret auf, dass sich hinter dieser sogenannten Sharing-Economy ein Machtgefälle auftue:
- Der Algorithmus wird Vorgesetzter.
- Ein Corporate Panopticon wird wirksam. (Es findet eine umfassende Kontrolle des Arbeitsverhaltens durch die Software des Unternehmens statt.)
- Die Nutzungsbedingungen des Internet-Dienstes werden faktisch zu Arbeitsverträgen.
Zur weiteren Erläuterung des Machtungleichgewichts verweist Kleske darauf, dass durch einfache Änderungen in den Nutzungsbedingungen recht plötzlich die Bezahlung zurückgenommen werden kann, ohne dass formal eine Vertragsverletzung stattfinde. Dass die Handlungsfreiheit der Auftragsnehmer nicht in gleicher Weise gegeben sei, wie die der Plattform, werde auch daran deutlich, dass man nicht mit seinem erarbeiteten Profil und der damit verbundenen Reputation auf eine Konkurrenz-Plattform wechseln könne. Noch viel grundsätzlicher ist der Hinweis darauf, dass die Auftragsnehmer das Geld schließlich brauchen, um Essen und Wohnung bezahlen zu können. Dieser Hinweis auf die materiellen Bedingungen von Produktion und Reproduktion könnte direkt aus dem Kapital von Karl Marx mittels Analogiebildung übernommen sein.
Anschließend entwickelt Kleske eine weitere These, die hier als Bild zu sehen ist:
In der Argumentation bis zu diesem Punkt wird meiner Einschätzung nach sehr stark im Sinne der Polarisierungsthese argumentiert (im Video ab der 20. Minute).
Die Ähnlichkeit der Argumentation mit einigen eher marxistisch ausgerichteten Denkweisen wird meiner Einschätzung nach dann noch deutlicher, wenn Kleske eine neue „Arbeiterbewegung“ einfordert. Er verweist auch darauf, dass es bereits erfolgreiche Organisationsversuche, beispielsweise bei den Fahrern von Uber, gibt, die partiell die Idee der Gewerkschaft als Interessenvertretung oder die im 19. Jahrhundert sehr populäre Idee des Genossenschaftswesens als antikapitalistische Reform-Bewegung aufgegriffen hätten.
Konkreter sind allerdings die Hinweise, wenn es um rechtliche Fragen geht. Offensichtlich scheint es auch in den USA eine Möglichkeit zu geben, Unternehmen, die scheinbar selbstständige Personen wie abhängig Beschäftigte einsetzen, zu verklagen. Dass dies prinzipiell auch in Deutschland möglich ist, wird an dieser Stelle von Kleske nicht erwähnt. Relevant ist diese Möglichkeit aber schon, doch es ist auch hierzulande das Machtgefälle zwischen Unternehmen und Werksauftragsnehmern, die es verhindert, dass entsprechende rechtliche Möglichkeiten genutzt werden. Außerdem ist zu beachten, dass die Beweislast im Falle einer Klage überwiegend auf Seiten der prekär Beschäftigten liegt. Kleske erwähnt aber lobend die IG-Metall, die genauso wie andere Gewerkschaften sich darum bemüht, auch für prekär Beschäftigte mehr Rechte zu erreichen.
Nun wendet sich der Referent ausführlicher ans Publikum, weil er hier Journalisten und Beschäftigte bei Medien unterstellen kann, die viel dafür tun könnten, dass mehr Transparenz in die Vorgehensweisen von Internet-Plattformen der Öffentlichkeit vermittelt wird . Ein weiterer Appell geht an Startup-Verantwortliche, die ebenfalls im Publikum vertreten sind. Johannes Kleske bringt neben dem Argument Transparenz nun das Argument Qualität: Arbeit wird besser, wenn sie von zufriedenen und abgesicherten Arbeitskräften erbracht wird; Unternehmen genießen ein höheres Ansehen und stärken ihre Reputation, wenn sie verdeutlichen können, dass sie anständig mit ihren Auftragsumsetzern umgehen.
An dieser Stelle kann man auch moralisch argumentieren. Dies versucht Kleske anschließend in Bezug auf die Entwickler und Gestalter der Plattformen. Diese müssten sich bei ihren Entscheidungen überlegen, ob nicht versteckte Vorannahmen und Vorurteile relevant werden, die später für die Betroffenen zum Problem werden könnten. Ob dieser moralische Appell wirklich zielführend ist, kann bezweifelt werden, denn nicht die Entwickler und Designer entscheiden darüber, welche grundlegenden Prinzipien bei der Software-Entwicklung konkret umgesetzt werden. Die Vorgabe in der Software-Spezifikation ist beispielsweise „Abstrafung durch Sperrung gegenüber neuen Aufträgen bei schlechten Bewertungen“; ob dies mit Zeitsperren dann umgesetzt wird oder durch andere Sanktionen, verbleibt möglicherweise noch in der Gestaltungsmacht der Programmierer, ändert aber nichts am grundlegenden Konzept, für das es ein sehr bekanntes Schlagwort gibt.
Dass Profitmaximierung die prägende Kraft hinter dieser Art von Unternehmensentwicklung ist, wird eher in den Hintergrund gedrängt, wenn auf die politischen Möglichkeiten von Gestaltung von Arbeit eingegangen wird. Über das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens müsse nachgedacht werden, sagt Kleske, ohne dies näher auszuführen. Dass diese Idee an dieser Stelle zu nennen ist, ist für mich nachvollziehbar: Wenn die Arbeit abgeschafft oder durch schlechte Bezahlung nicht mehr existenzsichernd ist, dann wird eine politische Lösung benötigt, die genauso grundlegend ist, wie das verursachende Problem. Doch das Grundeinkommens-Konzept macht nur dann Sinn, wenn die Voraussetzungen wirklich so dramatisch eingeschätzt werden. Und selbst dann stellt sich noch die Umsetzungsproblematik: Wenn die Betroffenen der Entwicklung marginalisiert sind, wer kann dann dafür sorgen, dass ihre Interessen noch politisch wirksam werden? Naheliegender als Universal-Lösungen wie das Grundeinkommen wären aus meiner Sicht eher Teilschritte, die in den bestehenden Systemen dafür sorgen können, dass Verbesserungen (z.B. hinsichtlich sozialer Absicherung) greifen könnten. In der späteren Diskussion auf dieser Veranstaltung der re:publica 2015 habe ich beispielhaft eine mögliche Teillösung skizziert.
Pragmatischer ist der zweite Lösungsvorschlag: Kleske fordert von der Politik neben den etablierten Arbeitsmodellen Festanstellungen und Selbstständigkeit ein drittes Modell, das besser die Bedürfnisse der Sharing-Ökonomie und ihrer Benachteiligten berücksichtigt. Die Idee klingt nicht schlecht, doch bevor Politik und Gesellschaft soweit gehen, sollte man sich fragen, ob die bestehenden Modelle noch angemessen funktionieren. Theoretisch gibt es im deutschen Rechtssystem klare Regeln, die verhindern, dass Schein-Selbständige wie Arbeitnehmer eingesetzt werden, aber dann nicht deren Rechte (Sozialversicherung, Kündigungsschutz, Lohnersatz bei Krankheit und Urlaub) bekommen. Bezüglich dieser Regelungen gibt es aber ein Vollzugsdefizit, weil weder staatliche Stellen noch die zuständigen Instanzen der Sozialversicherung genau genug prüfen, ob hier nicht Missbrauch des Selbständigen-Status vorliegt.
Dieses Vollzugsdefizit betrifft allerdings nicht nur die Internet-Ökonomie. Sprachschulen, Volkshochschulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen jedweder Art setzen sehr gerne „Freiberufler“ wie Arbeitnehmer ein und wälzen damit das Unternehmerrisiko im vollen Umfang auf diese Schein-Selbständigen ab. Auch im Transportgewerbe, in der Gebäudereinigung, auf dem Bau und bei vielen weiteren Berufszweigen gibt es dieses Problem, ohne dass die Internet-Ökonomie hierfür relevant wäre.
Der nächste Vorschlag (übernommen vom Spamgirl Kristy Millard) fordert Kooperation der Betroffenen und Übernahme der Produktionsmittel:
Statt uns selbst und unsere Ideen, dem kapitalistischen System zu unterwerfen, sollten wir selbst die Produktionsmittel übernehmen. Lasst uns eine Plattform schaffen, die den Arbeitern selbst gehört. (Zitat aus der vorher verlinkten Quelle bzw. der Folie auf dem Foto)
Etwa nach 36 Minute wurde die Präsentation mit viel Beifall beendet. Ich war beeindruckt von der Schlüssigkeit der Darstellung, war aber nicht damit zufrieden, dass der Referent es vermieden hatte, die Globalität des Problems (Stichwort Prekariat) zu verdeutlichen. Überwiegend ging ich aber in meinem kurzen Statement auf eine konkrete Möglichkeit ein, die soziale Absicherung der prekär Beschäftigten zu verbessern. Ich unterstellte in meinem Statement, dass die anwesenden Journalisten sicherlich wüssten, welche Vorteile Selbstständige im Medienbereich durch die Künstlersozialkasse hätten. Ein entsprechendes Modell (einkommensbezogene Festlegung der Sozialversicherungsbeiträge von prekär Beschäftigten und Zahlung der Hälfte der Beiträge durch den Staat) wäre hilfreich, egal ob die Betroffenen online oder offline ihr Geld als kleine Unternehmer verdienen.
Die nächste Frage eines Teilnehmers bezog sich auf die Einstellung der Gewerkschaften zum Problem Arbeit der Zukunft. Hier wurde sehr ausführlich geantwortet und der Einstellungswandel der Gewerkschaften gegenüber neuen Arbeitsformen gelobt. Ergänzend wurde nach möglichen Uber-Streiks gefragt, die nach Ansicht des Referenten schon stattgefunden haben. Allerdings scheint Johannes Kleske Probleme mit Streiks zu haben, wenn sie ihn persönlich betreffen, denn wie eingangs ausgeführt, war durch den Lokführer-Streik die S-Bahn in Berlin ausgefallen und die U-Bahn voller als gewöhnlich, was Kleske nochmal erwähnte, ohne allerdings eine konkrete Bewertung des Streiks vorzunehmen. Ich bin der Meinung, dass egal, was man konkret von aktuellen Streiks hält, man auf jeden Fall klar erkennen kann, dass entsprechende Vorgehensweisen der Betroffenen unvermeidlich sind. Niemand freut sich darüber, wenn sein Zug ausfällt oder ziemlich voll wird, und Eltern sind nicht begeistert, wenn der Kindergarten wegen Streik geschlossen bleiben muss, doch faktisch haben die Betroffenen keine andere Alternative, um die Ignoranz und Hartleibigkeit der Geschäftsführungen ihrer Firmen aufzulösen.
Statt seine Lokführer-Streik-Einschätzung zu geben, setzt Johannes Kleske lieber ein neues Thema: Unternehmen können mit dem Verzicht auf Big-Data-Techniken ihren potentiellen Kunden ein besseres Angebot auf Qualität machen, als Konkurrenzunternehmen, die ihre Kunden eher als genau bestimmbare Störquellen einstufen.
Eine Kontroverse bahnte sich durch die übernächste Frage an. Ein Teilnehmer der Veranstaltung hatte in den USA Erfahrungen mit Uber gemacht, die nicht ganz zum Vortrag zu passen schienen: Ohne Uber funktioniere der Transport in San Franzisco nicht und die Uber-Auftragnehmer seien sehr zufrieden mit ihren Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten. Doch die Kontroverse blieb aus, denn der Referent betonte, dass er die grundsätzliche Idee von Uber und anderen Modellen der Sharing-Ökonomie nicht ablehnt, sondern nur darauf dringen möchte, die Gestaltung der Systeme so zu umzusetzen, dass es zu einem fairen Interessenausgleich kommt.
Die nächste Frage eines Teilnehmers bezog sich auf die Möglichkeit der Abgrenzung von Hauptbeschäftigung und Nebenbeschäftigung und wie man sie umsetzen könnte. Der Referent nutzte dies, um ein neues Beispiel einzuführen, das verdeutlicht, wie Technikentwicklung soziale Verwerfungen erzeugen kann, die bearbeitet werden müssen: den Zimmervermittlungsservice Airbnb. Weil dieser so erfolgreich ist, kommen die professionellen Anbieter (Hotels) in Bedrängnis und in den entsprechend beliebten Wohngegenden steigen die Mieten rasant an.
Da der vorletzte Fragesteller noch ein neues Beispiel bringt (Reinigungskräftevermittlung über das Netz) nutzt der Referent die Chance zu einem Fazit: Wir müssen erkennen, wo die Dynamik der Arbeit der Zukunft jeweils aktuell sichtbar wird und wo Tendenzen ableitbar werden, die schon länger bekannt sind:
Technologiekritik ist wirkungslos ohne Kapitalismuskritik.
Sein letztes Statement nutzt der Referent, um deutlich zu machen, dass es für all die skizzierten Probleme keine einfachen Lösungen gibt.
Eine beeindruckende Präsentation und Diskussion zur Arbeit der Zukunft ist nach 60 Minuten beendet und neben dem Referenten haben auch einige Teilnehmer dazu beitragen die Komplexität des Problems klar werden zu lassen. Allerdings zeigt meine kritische Zusammenfassung hier auch auf, dass viele der zentralen Argumente sehr gründlich geprüft werden müssen. Johannes Kleske nimmt Abschied von der globalen These des Endes der Arbeit. Doch auch die neue These (von mir mit dem Etikett Polarisierung gekennzeichnet) ist nicht unproblematisch, weil sie auch zu vereinfachend ist. Gelänge es nämlich den prekär Beschäftigten (ähnlich wie den Gewerkschaften im 19. und 20. Jahrhundert) gemeinsam handelnd für ihre Interessen zu kämpfen, dann sieht in ein paar Jahren alles ganz anders aus, als allgemein befürchtet wird. Möglicherweise sieht dies Johannes Kleske ähnlich, doch er möchte mit seinen Warnungen vor dem anderen Szenario der Verdrängung der Arbeit in prekäre Beschäftigung die entsprechend neu entstehenden Bewegungen unterstützen. Ob dieser Politisierungsversuch bei den Teilnehmer der re:publica 2015 aber angenommen wird, bleibt abzuwarten. Dass bei einigen oder vielen Teilnehmern ihr Problembewusstsein gestärkt wurde, scheint mir aber deutlich geworden zu sein.