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Mit Heuristiken sind Entscheidungsregeln gemeint, die kurz und prägnant funktionieren. Es ist umstritten, ob Heuristiken eher hilfreich oder eher schädlich sind, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Menschen entscheiden selten in Situationen anhand abstrakter Kalküle (ökonomischer Rationalität), weil es zu aufwendig ist alle relevanten Informationen zu beschaffen und diese auch noch einzelnen zu bewerten. Hier helfen unterschiedliche Heuristiken weiter, um zu einer schneller aber auch oft auch richtigen Entscheidung zu kommen.

Heuristik kommt als Begriff aus dem Griechischen und wird dort auch als Kunst verstanden. Mit wenig Zeitaufwand und begrenztem Wissen soll eine gute Lösung gefunden werden, die auch schnell umgesetzt werden kann. Heuristiken sind Vorgehensweisen, bei denen man mit begrenztem Wissen und auch mit teilweise unüberprüften Hypothesen hantiert. Heuristiken werden wiederholt und verstärkt angewandt, wenn sich bewähren und häufig zum Erfolg geführt haben.

Beispiel für die Anwendung von Heuristiken: Hat ein Professor ein technisches Problem, dann sucht er einen Hausmeister. Er hält gezielt Ausschau nach Leuten, die im blauen Overall oder grauer Arbeitsjacke durch das Unigebäude hasten. Hier wird eine simple Wiedererkennungs-Heuristik oder Verfügbarkeits-Heuristik angewandt.

Heuristiken können zu Fehlurteilen führen

Ein großer Teil der neueren psychologischen Forschungsarbeit (z.B. Daniel Kahneman und Amos Tversky zur Repräsentativitäts-Heuristik) ist damit beschäftigt nachzuweisen, das Heuristiken in bestimmten Fällen zu Fehlurteilen führen. Auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften bemühen sich Autoren wie Dan Ariely darum, die beschränkte ökonomische Handlungsfähigkeit auf Basis von Heuristiken zu thematisieren.

Beispiel für ein psychologisches Experiment zu Fehlurteilen auf Basis von Heuristiken: Eine Gruppe von Personen wurde gebeten sich Namen auf einer Liste einzuprägen und anschließend zu schätzen, ob es mehr Männer oder mehr Frauen auf der Liste gegeben habe. Es zeigte sich, dass das Schätzergebnis sehr stark dadurch geprägt wurde, ob es ein Übergewicht von bekannten Namen eines bestimmten Geschlechts gab. Weil die bekannten Namen besser erinnert wurden, wurde deren Anteil übermäßig stark bei der Repräsentativ-Heuristik berücksichtigt.

Heuristiken können zu nützlichen Urteilen führen

Gerd Gigerenzer ist mit dieser Betonung der negativen Einschätzung von Heuristiken nicht einverstanden und bemühte sich in seinem oben verlinkten Buch zu „Bauchentscheidungen“ darum, aufzuzeigen wie nützlich Heuristiken sind, wenn Menschen schnell und sicher zu einer guten Entscheidung kommen wollen.

Beispiel für ein psychologisches Experiment zu zutreffenden Urteilen auf Basis von Heuristiken: Fragt man Studenten danach, welche der amerikanischen Städte San Diego oder San Antonio mehr Einwohner hat, dann schneiden deutsche Studenten besser ab, obwohl sie über deutlich weniger Informationen verfügen. Der Grund ist die simple Anwendung der Rekognitions-Heuristik. Die deutschen Studenten gehen davon aus, dass die ihnen bekanntere Stadt auch größer ist. Hier führt also weniger Information zu besseren Ergebnissen. Man kann zeigen, dass diese Art von Heuristiken erstaunlich gut funktioniert.

Welche Heurisiken werden häufig angewandt?

Es gibt eine Vielzahl von Heuristiken, die in je bestimmten Situationen angewandt werden können. Hier ein kleiner Überblick, der ihre partielle Nützlichkeit oder Unangemessenheit aufzeigen kann.

  • Heuristiken der Verfügbarkeit nutzen den Wiedererkennungswert. Wenn eine Information leicht und schnell abgerufen werden kann, dann ist sie prägend für die Entscheidung. Dies kann dazu führen, dass man die numerische Bedeutung eines Ereignisses überschätzt. Fragt man amerikanische Studenten danach, welche Stadt größer ist, Bielefeld oder Heidelberg, dann treffen sie häufig die falsche Entscheidung, weil sie Heidelberg besser erinnern als Bielefeld. Allerdings ist dieses Beispiel ein Ausrutscher. In vielen Fällen (aber nicht immer) liegt man richtig, wenn man von der Bekanntheit einer Stadt auf die Größe schließt. Das heißt, dass diese Heuristik oft gut funktioniert. Heuristiken sind Faustregeln, die oft aber nicht immer gut funktionieren können.
  • Heuristiken der Repräsentativität: Schließt man vom „Mann mit Kittel“ auf Hausmeister, dann wendet man die Repräsentativität als Heuristik an. Allerdings kann es Probleme mit der Repräsentativität-Heuristik geben, wenn man Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen danach bewerten soll. Ein berühmtes Beispiel hierzu kommt von Kahneman und Tversky: Linda ist ledig, noch relativ jung und hat Philosophie studiert. Sie interessiert sich für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Was ist wahrscheinlicher: Dass Linda Bankangestellte ist oder dass Linda Bankanstellte ist, die in der Frauenbewegung aktiv wird? Hier neigen viele zur zweiten Entscheidung, obwohl diese im Widerspruch zur Wahrscheinlichkeitsrechnung steht. Doch es ist umstritten, wie relevant man diesen Fehler für die Anwendung von Heuristiken einschätzen kann. Denn schließlich haben sich die Befragten nur für eine Antwort entschieden, die alle relevanten Aspekte der Personenschilderung berücksichtigt. Heuristiken der Repräsentativität sind im Alltag sehr hilfreich, wenn man schnell und sicher zu den richtigen Personen kommen will.
  • Heuristiken, die den Ankereffekt nutzen: Soll man in Verhandlungen einen Geld-Vorschlag machen, dann nimmt man oft einen Wert, der im eigenen Interesse hoch oder niedrig ist. Damit setzt man einen Anker, der die andere Seite stark beeinflusst. Der Ankereffekt führt zu kuriosen Ergebnissen. Lässt man Leute eine Zahl per Zufall erzeugen und fragt anschließend danach, wie viele Länder Afrikas in der UN sind, dann wird die Schätzzahl sehr stark von der scheinbaren Zufallszahl bestimmt. Allerdings ist die Heuristik des Ankereffekts in der Praxis oft hilfreich, wenn es um Vergleichswerte für gebrauchte Produkte geht. Tatsächlich ausgehandelte Preise bestimmten sehr stark, wie man in Verhandlungen um neue Verkäufe erfolgreich agieren kann.
  • Emotionen in Heuristiken nutzen: Menschen neigen dazu, stimmungsabhängig zu entscheiden. Man beurteilt je nach Stimmungslage Situationen und Menschen besser oder schlechter. Das kann zu einer Verzerrung führen, wenn man sich zu stark von solchen Entscheidungen abhängig macht. Aber es ist kein Fehler der Emotions-Heuristik, wenn man sich bei relevanten Entscheidungen für die Zukunft vorstellt, in welcher Stimmung man ist, wenn man die Entscheidung umgesetzt hat. Wie fühlt man sich, wenn man Mathematik oder Informatik studiert, kann sich ein Abiturient fragen, wenn er sein Studienziel plant. Funktionieren kann diese Art von Heuristiken nur, wenn man sich ausreichend darüber informiert, welche Faktoren dann für die jeweilige Studienrichtung relevant sind. Hier ergänzen also rationale Informationssuche sehr gut die Heuristiken, die die eigene Stimmung sprechen lässt.

Neben diesen Heuristiken gibt es noch einige weitere, die für soziales Handeln relevant sind. Jeder muss selbst wissen, in welcher Situation er schnell Heuristiken anwendet und wann er lieber zunächst den langwierigen Weg über die rationale Bestimmung von Handlungszielen und Handlungsergebnissen verfolgen will. Doch wer den Vorteil der Heuristen für sich nutzen will, der wird wohl kaum umhin können, deren Reichweite und Relevanz je spezifisch zu hinterfragen.

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