Verschiedene Online-Medien spekulieren heute am 2.2.2016 darüber, ob Frauke Petry bald nicht mehr Chefin der „Alternative für Deutschland“ (AfD) sein wird. Sollte es früher oder später tatsächlich zum Ausschluss, zur Abwahl oder zum selbstgewählten Rücktritt kommen, dann wird es die Frage nach dem Schuldigen geben. Als Verdächtige kommen die etablierten Medien, die großen Parteien, Rivalen aus der AfD und Frau Dr. Petry selbst in Frage. Möglicherweise ist es aber so, dass nur alle gemeinsam dieses bemerkenswerte Ergebnis schaffen können.

Frauke Petry ist Chefin der Alternative für Deutschland und stark vertreten in den etablierten Medien und im Netz. Da kann es nicht ausbleiben, dass ihr gerne Fallen gestellt werden und man hatte den Eindruck, dass sie es bisher verstand, diesen Fallen geschickt auszuweichen. Ministerpräsidentinnen der SPD weigern sich seit einiger Zeit mit AfD-Vertreten in Diskussionsrunden zu gehen und nähren damit den Verdacht, dass ihre Partei sich aufgegeben hat oder den AfD-Konzepten nicht mehr entgegentreten möchte, um den Aufmerksamkeitseffekt von Petry und Kollegen nicht weiter zu steigern.

Das scheint sich jetzt geändert zu haben, seitdem Begriffe wie Schießbefehl und Schusswaffengebrauch eine härtere Ebene in der politischen Auseinandersetzung ausdrücken. Formal geht es um die Frage, ob es legitim ist, gegen Flüchtlinge Schusswaffen an der deutschen Grenze einzusetzen, wenn diese die Grenze unerlaubt überschreiten wollen. Die folgende Zitatensammlung und das abschließende Fazit soll deutlich werden lassen, warum das Gesagte und das Gemeinte in der Politik verschieden sind und dass man das Gemeinte nicht mehr steuern kann, wenn es erst mal eine bestimmte öffentliche Resonanz erreicht hat.

Erste Petry-Äußerung, Mannheimer Morgen, 30.01.2016

https://www.morgenweb.de/nachrichten/politik/sie-konnen-es-nicht-lassen-1.2620328

Die Polizei „… muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.

Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt. Entscheidend ist, dass wir es so weit nicht kommen lassen und über Abkommen mit Österreich und Kontrollen an EU-Außengrenzen den Flüchtlingszustrom bremsen.

Gesetzliche Regelung

Die … Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schußwaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen. Ist anzunehmen, daß die mündliche Weisung nicht verstanden wird, so kann sie durch einen Warnschuß ersetzt werden.

Kommentar zum Gesetz von heute.de

http://www.heute.de/waffeneinsatz-an-der-grenze-das-gesetz-ist-eindeutig-42069620.html

Dies bedeutet, nach dem Wortlaut des Gesetzes ist ein Schusswaffengebrauch unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. Entscheidender Rechtsmaßstab ist nach oberster Rechtsprechung dafür immer, ob ein Waffeneinsatz zum Erreichen eines Zwecks auch verhältnismäßig ist. Natürlich muss ein Staat seine Grenze gegen bewaffnete Angriffe notfalls mit eigenem Waffengebrauch ebenso schützen können wie die diensttuenden Beamten sich selbst. Auch wenn es gilt, schwere Verbrechen zu verhindern, kann dies gerechtfertigt sein. Aber nur dann, wenn es konkret keine milderen Mittel gibt. Der Schusswaffengebrauch ist immer die „Ultima ratio“.

Aktuelle Petry-Äußerung laut Mitteldeutscher Rundfunk, 01. Februar 2016, 23:21 Uhr

http://www.mdr.de/nachrichten/afd-petry-grenzschutz-schusswaffen100_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7.html

Parteichefin Frauke Petry und Co-Vorsitzender Jörg Meuthen erklärten im Namen des Bundesvorstands: „Die AfD lehnt es strikt ab, dass auf Menschen geschossen wird, die friedlich Einlass in das Bundesgebiet begehren. Die AfD strebt keinerlei Verschärfung der diesbezüglich geltenden Rechtslage oder Praxis an.“

Die Gesetzeslage sei eindeutig und für die Grenzsicherung vollkommen ausreichend, betonte die AfD-Führung. Grenzsicherung müsse streng nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit erfolgen.

Vorläufiges Fazit

Es soll hier nicht bestritten werden, dass sich der Kommentator von heute.de nach der zitierten Stelle noch bemüht, die Unmöglichkeit des Schusswaffengebrauchs im konkreten Fall eines unerlaubten Flüchtlingsübertritts zu begründen. Allerdings ist er mit der zitierten Argumentation ziemlich genau auf der Petry-Linie angelangt: „Ultima Ratio“ ist Latein und kann frei übersetzt werden mit „letztes Mittel, um ein legitimes Ziel zu erreichen“.

Sollte also die poltische Karriere von Frau Dr. Petry damit schon abgeschlossen sein, obwohl sie lediglich eine überzogene Interpretation eines Paragraphen des UzwG in einem Gespräch vorgebracht hat?

In der Kommunikationstheorie der privaten Kommunikation gilt frei nach Watzlawick: Die Botschaft macht der Empfänger. Diese Aussage ist natürlich so nicht auf die politische Kommunikation übertragbar. Hier ist alles noch schlimmer. Hier gestalten die Botschaft auch die Konkurrenten mit und die gibt es nicht nur bei den konkurrierenden Parteien. Die gibt es auch bei der eigenen Partei, denn auch dort geht es um Machtfragen. Die gibt es aber auch bei den etablierten Medien und den neuen Medien des Netzes, denn hier geht es um Aufmerksamkeit.

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